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Die Fragen einer chronisch Kranken

von Patricia Wendt.

„Holy shit, I am sick!” bietet die Möglichkeit, seine Geschichte über das Leben mit einer seltenen Erkrankung zu erzählen. Die Idee finde ich super, kennt doch jeder, der mit einer solchen Erkrankung lebt, den Mitteilungsbedarf, der daraus entsteht.

Und genau hier beginnt die Frage, über welchen Teil nun gerade ich sprechen möchte?

Über die vielen Kränkungen?

Über sich selbst überschätzende Orthopäden oder Humangenetiker?

Über die Selbstzweifel oder den erzwungenen sozialen Rückzug?

Über die Behinderungen im Alltag, den Wunsch einmal Pause vom Kranksein zu haben?

Über den Drang möglichst viel und schnell voranzutreiben, für die optimierte Behandlung meiner Kinder oder sogar unbekannter Betroffener?

Über die Verantwortung für chronisch kranke Kinder, für sich selbst und gesunde Familienmitglieder?

Über die positiven Erlebnisse, die wie kleine Lichtinseln den Weg im Kranksein beleuchten?

Ich habe ein hypermobiles Ehlers-Danlos-Syndrom (hEDS), eine derart  vielgestaltige Erkrankung, dass man sich fragt, wie die vielen Symptome überhaupt in einen einzelnen Menschen passen.

Fragen ist überhaupt ein gutes Stichwort, denn viele andere Betroffene mit EDS haben bereits über den schwierigen Weg zur Diagnose, die Einstufung in eine psychosomatische Erkrankung oder die Einschränkungen, die Kränkungen, unter anderem auch durch medizinisches Fachpersonal, berichtet.

Für mich stehen tatsächlich die vielen Fragen, sowohl vor der Diagnose, als auch hinterher, im Vordergrund.

Die Berichte kann ich nur bestätigen, denn bei mir dauerte es fast 40 Jahre, inklusive der in anderen Berichten genannten Erlebnisse, bis ich eine entsprechende Diagnose erhielt. Und hätten nicht meine Kinder mit den gleichen Schwierigkeiten wie ich zu kämpfen, hätte ich vielleicht aufgegeben und begonnen an mir zu zweifeln.

Trotz der mittlerweile offiziellen Diagnose der Universitätsklinik und der Diagnose eines Facharztes, dass keine psychische Erkrankung vorliegt, glaubt mir der bis dahin behandelnde Hausarzt nicht und will mich weiterhin rein psychosomatisch behandeln lassen.

Wieso?

Bilde ich mir die Schmerzen, Schwindelanfälle, Verdauungsprobleme, die merkwürdigen Reaktionen auf Medikamente und Nahrungsmittel vielleicht wirklich nur ein?

Warum glaubt mir der Arzt nicht, wenn ich ihm von meinen Beschwerden erzähle?

Warum fühle ich mich wie ein Bittsteller, wenn ich eine Behandlung oder ein Rezept brauche?

Wie kommt es, dass Ärzte von diesem Krankheitsbild so falsche Vorstellungen haben?

Wie können die Ärzte informiert werden, ohne dass es wie eine Bevormundung durch den Patienten aussieht?

Kann oder muss ich auf Befindlichkeiten der Ärzte überhaupt Rücksicht nehmen, wenn mir keine Achtung entgegengebracht wird?

Was kann ich tun, um die Situation zu verbessern?

Wie kann ich meinen Mitmenschen klarmachen, dass mein Alltag anders strukturiert werden muss, was hEDS für mich bedeutet, ohne dass es sich wie jammern anhört?

So könnte ich endlos weiter aufzählen.

Ich habe mich intensiv mit EDS auseinandergesetzt, habe den Kontakt zu Betroffenen gesucht, diverse Studien und Veröffentlichungen gelesen, mich mit Genetik rumgequält und habe online die Verkündung der neuen Kriterien verfolgt.

Ich habe mich dabei immer wiedergefunden – lange Jahre der Unsicherheit über die Vielfalt und den Zusammenhang der Beschwerden machten plötzlich Sinn. Ich weiß jetzt, dass die Beschwerden entweder durch das EDS ausgelöst werden oder aber eine der häufigen Begleiterkrankungen sind, deren Zusammenhang noch nicht vollständig geklärt ist. Ich weiß, dass Patienten auf der ganzen Welt die gleichen Symptome und die gleichen Probleme haben.

Meine Schmerzen sind echt, die Schwindelanfälle und die Stürze haben eine medizinische Begründung, ebenso die Verdauungsprobleme, die unverhältnismäßige Reaktion auf Schmerzmittel und Nahrung.

Die Gründe heißen:

Ehlers-Danlos-Syndrom,

autonome Dysfunktion,

Histaminintoleranz,

Nervenschädigungen,

Allergien, …

Darum möchte ich allen, die sich in einem solchen Prozess befinden sagen: Hört auf Euren Körper und vertraut auf Euch selbst. Bleibt stark!

Eine Frage hätte ich aber noch:

Warum kann ich als Patient herausfinden, was ein Ehlers-Danlos-Syndrom bedeutet

und die Ärzte nicht?

6 Kommentare
  1. Büsra Yildirim sagte:

    Wow, der Text könnte von mir sein! So wahr und traurig zugleich. Ich habe mit 26 Jahren aktuell dasselbe Problem. Es ist immer die Psyche Schuld… :-(

    Antworten
    • karinabutterfly sagte:

      Hallo Büsra,

      leider machen die meisten Menschen mit seltenen chronischen Erkrankungen genau diese Erfahrung. Psychische Fehldiagnosen treffen sehr viele und können schwere Konsequenzen haben. Tut mir leid dass du das auch erleben musstest.

      Gruß,

      Karina

      Antworten
      • Büsra Yildirim sagte:

        Hallo Karina, das ist einfach traurig. In einem meiner Arztbriefe steht beginnende Depression. Die Ärztin hatte sich 10 min mit mir unterhalten und war sich sicher, nachdem ich ihr erzählte, dass ich morgens mehr Beschwerden habe, dass ich in einer depressiven Episode wäre. Ja, ne ist klar.. Das Einzige was man dagegen tun kann, ist es zum nächsten Arzt zu rennen.. traurige Realität..

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        • karinabutterfly sagte:

          Büsra, ja, manchmal sind Ärzte leider schnell mit dem Urteilen. Ich stimme dir zu. Wenn sowas passiert muss man einfach einen Arzt finden, dem man vertraut und der nicht vorschnell urteilt.
          Gruß,
          Karina

          Antworten

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