Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) tritt häufig mit dem hypermobilen EDS (hEDS) und mit PoTS auf. Weshalb es zu gerade dieser Kombination an Erkrankungen/Syndromen kommt, ist bislang noch unklar.

Die Mastzellaktivierung ist nicht gleich gestellt mit der Mastozytose. Während es sich bei der Mastozytose um eine Erkrankung handelt, bei der sich Mastzellen in abnormaler Zahl in verschiedenen Geweben vermehren, werden beim Mastzellaktivierungssydrom durch verschiedene Trigger die Mediatoren dieser Zellen freigesetzt. Die Symptomatik beider ist ähnlich.

Das Mastzellaktivierungsyndrom kann jedes System/Organ im Körper betreffen und zu neurologischer, gastrointestinaler, Haut-, Herz- und Atemwegsbeteiligung führen.

Symptome

  • Hautausschlag, Rötung, Juckreiz
  • Müdigkeit
  • Flushing
  • Tachykardie
  • Niedrige Körpertemperatur
  • Durchfall, Übelkeit, Krämpfe
  • Schwindel
  • Atemprobleme
  • Augenprobleme
  • Verminderte Knochendichte
  • Nahrungsmittel- und Medikamentenunverträglichkeit
  • Harndrang
  • Anaphylaxie

Alle Reaktionen, die auch bei schweren Allergien auftreten, können auch beim MCAS in unterschiedlicher Schwere erscheinen.

Auslöser

  • Hitze/Kälte
  • Körperliche Anstrengung
  • Chemikalien/Medikamente
  • Nahrungsmittel
  • Stress
  • Alkohol

Diagnostik

Die Diagnostik des Mastzellaktivierungssyndroms ist schwierig. Zuerst sollte eine gezielte Anamnese auf mastzellspezifische Symptome stattfinden. Im nächsten Schritt werden typische Mastzellmarker im Blut und Urin bestimmt. Diese sind z. B.

  • Tryptase im Blut
  • Methylhistamin im Urin (direkt nach einem akuten Schub)
  • Heparin im Blut
  • oder andere Mastzellmarker (wie Chromogranin A, Leukotriene, Prostaglandin D2)

Für das MCAS gibt es leider nicht wie bei der Mastozytose einheitliche Diagnostikrichtlinie. Außerdem können trotz vorliegender Erkrankung trotzdem alle Laborparameter normal erscheinen.

Kriterien

Es müssen entweder beide Hauptkriterien oder das zweite Hauptkriterium und ein Nebenkriterium erfüllt sein.

Hauptkriterien: 

  1. Multifokal oder disseminierte Infiltrate von Mastzellen im Knochenmark oder anderen Organen (z. B. Darmbiopsie)
  2. Mastzellmediatorsyndrom

Nebenkriterien:

  1. Abnormales spindelförmiges Aussehen von über 25 Prozent der Mastzellen in Knochenmark oder anderen Organen
  2. CD2 und CD25-expremierende Mastzellen im Knochenmark
  3. Genetische Mutation, die zu gesteigerter Mastzellaktivität führt
  4. Laborchemisch nachweislich erhöhte Mediatorenkonzentration, wie Tryptase, Heparin usw.
  5. Ansprechen auf Therapie

[Quelle: AFRIN, Lawrence B., et al. Often seen, rarely recognized: mast cell activation disease–a guide to diagnosis and therapeutic options. Annals of medicine, 2016, 48. Jg., Nr. 3, S. 190-201.]

Therapie

Häufig wird ein Therapieversuch mit einer Kombination aus H1- und H2-Rezeptorenblockern und Mastzellstabilisatoren eingesetzt.

Außerdem sollten verschiedene Dinge gemieden werden, wie z. B. histaminreiche Lebensmittel, Alkohol, bestimmte Medikamente, immunstimmulierende Therapien.

Notfallinformationen:

  • Bei Operationen können viele Faktoren die Ausschüttung von Mastzellmediatoren begünstigen, wie z. B. Stress, Blutungen, Unterkühlung und verschiedene Medikamente. All diese Faktoren müssen mit in die prä-, peri-, und postoperative Pflege einbezogen werden.
  • Bei invasiven Eingriffen oder Untersuchungen sollte 30 Minuten vorher Prednisolon sowie H1- und H2-Antihistaminika intravenös verabreicht werden. Vor allem dann, wenn bereits bekannt ist, dass die verwendeten Medikamente schlecht vertragen werden.
  • Die Aufregung vor der Operation sollte so gut es geht minimiert werden und gleichzeitig sollte vorab besprochen werden, welche Anästhetika, Schmerzmittel, Antibiotika und Muskelrelaxanzien angewandt vertragen werden.
  • Eine mastzellspezifische Gerinnungsanalyse muss erfolgen, um nicht nur Blutungs- sondern auch Thromobseneigung auszuschließen.
  • Während der Operation sollte darauf geachtet werden, dass die*der Patient*in nicht auskühlt, dass die Haut nicht zu sehr gereizt wird und zudem sollte möglichst die am wenigsten traumatische Operationstechnik genutzt werden.
  • Des Weiteren sollte zu jedem Zeitpunkt mit Anaphylaxie gerechnet werden und diverse Gegenmaßnahmen ergriffen werden (Adrenalin, Antihistaminikum, Volumenersatz, Steroide).
  • Patient*innen, die eine erhöhte Blutungsneigung haben, könnten von Tranexamsäure profitieren.
  • Nach der Operation sollte nach wie vor mit anaphylaktischen Reaktionen gerechnet und eine Thromboseprophylaxe vorgenommen werden.

Viele Medikamente sind bei MCAS unverträglich bzw. triggern die Ausschüttung von Mastzellmediatoren.

Zu vermeidende Mittel und deren Alternativen:

(ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit):

Zu vermeidende Antibiotika:

Cefotiam, Cefuroxim, Chlortetrazyklin, Clavulensäure, D-Cycloserin, Framycetin (Neomycin), Isoniazid, Polymyxin B

Alternativ: Roxithromycin

Lokalanästhesie: Generell werden lokale Betäubungsmittel vom Estertyp (z. B. Procain) schlechter vertragen als die vom Amidtyp

Zu vermeidende Anästhesie: Curare, Methohexital, Phenobarbital, Propanidid

Alternativ: Propfol, Ketamin

Zu vermeidende Muskelrelaxanz: 

Alcuronium, Atracurium, Doxacurium, Gallamin, Metocurine, Mivacurium, Pancuronium, Succinylcholin (Suxamethonium), Tubocurarine

Alternativ: Cis-Atracurium, Vecuronium, Rocuronium

Zu vermeidende Herz/Blutdruckmittel: 

Alpha- und Betablocker (z. B. Alprenolol), Chinidin, Dihydrazalin, Furosemid, Propafenon, Reserpine, Verapamil

Zu vermeidende Husten- und Asthmamedikamente: 

Acetylcystein, Ambroxol, Aminophyllin, Codein, Theophylin

Zu vermeidende entkrampfende Mittel: 

Metoclopramid, Papaverin, Pilocarpin, Scopolamin

Zu vermeidende Opiate/Opoide: 

Morphium, Codein, Pethidin

Alternativ: Remifentanil, Alfentanil, Fentanyl, Oxycodon, Piritramid, Tramadol

Zu vermeidende andere Schmerzmittel: 

Acemitacin, Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Flurbiprofen, Indometacin, Ketoprofen, Meclofenaminsäure, Mefenaminsäure, Naproxen, Noscapin, Pyrazolone, Sufentanil, Toradol (Ketorolac)

Alternativ: Ibuprofen, Fenbufen, Levamisol, Paracetamol, Cannabinoide

Zu vermeidende Psychopharmaka: 

Bupropion, Carbamazepin, Diazepam, Diphenhydramin, Flunitrazepam, Thiopental

Alternativ: Chlorpromazin, Haloperidol, Amitryptilin, Doxepin, Clomipramin, Maprotilin, Clonazepam, Triazolam, Oxazepam

Generell lässt sich sagen dass Psychopharmaka in therapeutischer Konzentration die Ausschüttung von Mediatoren bewirken.

Zu vermeidende Kontrastmittel: 

Jodhaltige Kontrastmittel, Gadolinium

Alternativ: Nichtionische Kontrastmittel bzw. prophylaktische Gabe von Prednisolon, H1- und H2-Blocker

Zu vermeidende Sonstige: 

Latexhandschuhe, Ethanol (Vorsicht vor ethanolhaltigen Arzneimitteln!)

Als Plasmaersatz kann Albuminlösung, NaCl oder Ringer-Lösung verwendet werden.

Patient*innen, die bereits anaphylaktische Reaktionen auf bestimmte Reize hatten, sollten immer ein Notfallset bei sich tragen!

Das könnte z. B. aus folgenden Medikamenten bestehen: Cetirizin oder Fenistil-Tropfen, Celestamine-N-liqidium und im Falle von einsetzender Atemnot oder stärkerer Kreislaufstörung zusätzlich ein Epipen wie z. B. Fastject Autoinjektor. (Anwendung des Pens unbedingt gut beherrschen.)

Für Patient*innen mit asthmatischen Beschwerden gibt es z. B. Inhaltoren wie Salbutamol Inhalator.

Quellen zu Notfallinformationen und Medikamentenverträglichkeit:

SIGHI, www.histaminintoleranz.ch

Sido B, Dumoulin FL, Homann J, Hertfelder HJ, Bollmann M, Molderings GJ. Chirurgische Eingriffe an Patienten mit Mastzellüberaktivitätserkrankung. Der Chirurg. 2014 Apr 1;85(4):327-33.

Pöhlau D, Raithel M, Haenisch B, Harzer S, Molderings G. Neurologische und psychiatrische Symptome der systemischen MCAS. Springer Medizin 2015 Sep; NeuroTransmitter

The Mastocytosis Society, http://www.tmsforacure.org/documents/ER_Protocol.pdf

Brockow K, Metcalfe DD. Mastocytosis. InAnaphylaxis 2010 Jun 1 (Vol. 95, pp. 110-124). Karger Publishers.

Afrin LB, Pöhlau D, Raithel M, Haenisch B, Dumoulin FL, Homann J, Mauer UM, Harzer S, Molderings GJ. Mast cell activation disease: an underappreciated cause of neurologic and psychiatric symptoms and diseases. Brain, behavior, and immunity. 2015 Nov 30;50:314-21.

Weiter Informationen:

Einer meiner ausführlichen Artikel zum Thema MCAS:

https://www.mta-dialog.de/artikel/das-mastzellaktivierungssyndrom.html

http://www.mastozytose.net

http://www.mastozytose.de

http://www.histaminintoleranz.ch

http://www.mastzellaktivierung.info