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Resultate der Q&As mit Dr. Bohn zum Thema Bindegewebserkrankungen (speziell TNXB)

Q&A mit Dr. Bohn

Q&A mit Dr. Markus Bohn zum Thema „Genetik von Bindegewebserkrankungen (mit Schwerpunkt Tenascin-X)“

 

Teil 1 – Ergebnisse des deutschen Q&As vom 03.07.16

1

Frage

Welcher Zelltyp oder welcher Fasertyp ist bei hEDS betroffen bzw. mutiert?

Antwort

Bei dem was momentan bekannt ist, handelt es sich nicht um einen gesonderten Zelltyp, sondern um ein Protein, das von Zellpopulationen des Bindegewebes sekretiert wird. Tenascin-X ist an der Vernetzung von Kollagenfasern beteiligt. Aber die exakte Rolle ist nicht ganz klar.

Mutiert ist in dem Fall das TNXB-Gen, welches aber in jeder Zelle deines Körpers vorhanden und dort auch mutiert ist. Bislang ist aber nur bei unter zehn Prozent aller EDS-HT-Fälle eine TNXB-Mutation gefunden worden. Für die anderen 90 Prozent der hEDS-Betroffenen existiert kein ursächlich bekanntes Gen.

2

Frage

Ist die Mutation autosomal dominant oder eher spontan?

Antwort

Die Mutationen, die wir uns gerade in unserer Studie angesehen hatten, waren alle im Kontext von CAH-X, deswegen hatten die Patienten nur ein „normal“ funktionales TNXB-Allel. Zwei von drei Patienten hatten mehr als eine Mutation, alle drei waren homozygot für mindestens eine. Alle waren von einem oder beiden Elternteilen vererbt worden.

3

Frage

Wie sieht es mit einer Korrelation/comorbidity bei Marfan aus?

Antwort

Es sieht immer noch so aus als wären TNXB-Mutationen etwas, das speziell im EDS Kontext auftritt.

4

Frage

Ist die Mutation schon bei den NGS-CTD-Panels inkludiert?

Antwort

Da die Mutationen, die wir gerade charakterisiert haben erst seit zwei Wochen publik sind und vorher nicht wirklich bekannt waren, wird es wohl noch eine Weile dauern, bis sie in Panels aufgenommen werden. Wie lange der Prozess ist und wie sowas passiert, weiß ich allerdings auch nicht (wenn ich so darüber nachdenke, wäre das allerdings schon interessant). Werde mal jemanden aus der Diagnostik fragen. Interessant bei unseren Patienten war auch, dass sie alle in derselben, terminalen Domäne von Tenascin-X lagen. Es sieht momentan schon aus als wäre da ein hotspot, der diagnostisch interessant sein könnte.

5

Frage

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit der Vererbung wenn es sich um eine Spontanmutation des EDS handelt?

Antwort

Bei Mutationen, die mit EDS assoziiert sind, geht man davon aus, dass sie systemisch in allen Zellen des Körpers vorliegen und durch Prozesse entstehen, die schon vor der Geburt stattfinden (anders als z. B. Medikamentenresistenz bei Brustkrebs). Deswegen können solche Mutationen auch weitervererbt werden. Wenn beide Allele deines Gens die Mutation tragen ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines davon weitergegeben wird ~50%, wenn nur ein Allel betroffen ist, ist es die Hälfte. Ob das ausreicht um wieder ursächlich für EDS zu werden hängt stark vom EDS-Typ ab.

6

Frage

Könnte das HT-EDS, das durch TNXB verursacht wird, einen eigenen EDS-Typ darstellen, da offenbar recht wenige HT-Betroffene über einen TNXB-Defekt nachgewiesen werden und es andere Gene geben muss?

Zusatzfrage

Passend zu der Frage: Gibt es bestimmte Symptome, die nur bei Patienten, die TNXB-Mutationen haben, auftreten?

Antwort

Bisher nicht. Es sieht sogar so aus, als hätten sogar Leute mit unterschiedlichen TNXB-Mutationen unterschiedliche Ausprägungen, aber alles fällt unter das was man von einem hypermobilen EDS erwartet.

Oh, was ich noch sagen sollte, mit TNXB-Mutationen meinte ich jetzt die aus unserer letzten Studie. Es gibt ja auch Patienten, die keinen nachweisbaren Level an Tenascin-X im Blut haben und die sehen eher aus wie der klassische Typ.

7

Frage 1

Bei mir wurden Pseudogene auf dem TNXB-Gen gefunden, eine Analyse der betroffenen Exons hat deshalb nicht stattgefunden. Was genau heißt das? Kann dort der Krankheitsauslöser liegen oder ist das ausgeschlossen?

Antwort 1

Hmmm, das ist interessant. Heißt das, du hast ein Pseudogen insertiert in TNXB? Pseudogene sind nicht-funktionale Regionen, die Eigenschaften von proteinkodierenden Genen haben und aus solchen entstanden sind, aber nicht mehr aktiv transkribiert/translatiert werden. Manche Gen-Elemente können tatsächlich „springen“ und ein z. B. funktionales Gen ausschalten, indem sie sich z. B. in Intron/Exon-Splicing-Sites insertieren (in welchem Fall Exon sequencing fehlschlägt). Es kann also tatsächlich sein, dass das krankheitsauslösend ist und sogar die Ursache von Haploinsuffizienz sein. Das kann man allerdings erst sagen wenn das ganze Gen sequenziert ist.

Frage 2

Der genaue Wortlaut war: Aufgrund der Existenz von Pseudogenen können die Exons 32-44 des TNXB-Genes nicht beurteilt werden. Dazu fällt mir noch eine Frage ein: können sich zwei Mutationen auf unterschiedlichen Genen beeinflussen?

Antwort 2

Das klingt als könnte es auch ein methodisches Problem sein. Wenn beim Exon sequenzieren Pseudogene (die irgendwo liegen können) zu große Sequenzähnlichkeit mit TNXB-Exons haben, kann es sein, dass sich nicht auseinanderhalten lässt, welches davon was ist (ob die Sequenz zu TNXB gehört oder zum Pseudogen). Es ist jedenfalls schade, dass es die hinteren Exons sind. In unserer Studie war Exon 44 der Träger/Locus von ursächlichen Mutationen. Und ja, wenn z. B. zwei Proteine Teil desselben Prozesses sind, dann werden Mutationen in beiden denselben Prozess beeinflussen. Dann können sich Mutationen auf unterschiedlichen Genen sogar phänotypisch gegenseitig wieder aufheben (was aber ganz, ganz selten passiert).

8

Frage

Das TNXB-Gen kodiert keine kollagenmodifizierenden Enzyme, steuert aber evtl. die Kollagensynthese. Wie ist das zu verstehen? Dass es an der grundsätzlichen (dann ggf. zu viel oder zu wenig) Bildung von Kollagen beteiligt ist, aber für dieses keine Defekte verursacht?

Antwort

TNXB codiert für Tenascin-X, ein „Organisator“ von Kollagen. Kollagenfasern müssen einen bestimmten Grad an Vernetzung haben und Vernetzungen müssen an bestimmten Stellen gemacht werden um die Elastizität und Festigkeit zu haben, die für uns ideal ist. Tenascin-X erfüllt da eine „Funktion“, was es genau macht und wie es das macht ist leider nicht bekannt, weil wir leider keine Methodik haben, um so etwas zu studieren (und das irritiert mich ganz arg …). Matrixbiologie ist sehr schwierig, weil es so viele Faktoren gibt, die koordiniert aufeinander wirken und man schlecht einzelne Spieler isolieren kann, um physiologisch relevante Vorgänge zu untersuchen.

9

Frage

Da die TNXB-Mutation mit EDS und CAH in Zusammenhang stehen… bzw. wie verursacht die Mutation eine CAH und EDS?

Um welchen EDS-Typ handelt es sich? Hypermobil, Vaskulär, Klassisch usw.?

Wäre dann die Wahrscheinlichkeit POTS (posturales orthostatisches Tachykardie Syndrom) oder andere OI/Dysautonomien (orthostatische Intoleranzen) bei diesem EDS-Typ/Mutation zu entwickeln größer, da die Nebennieren für Hormonen wie Cortisol und Aldosteron (Blutvolumenregulation, Hypovolämie) zuständig sind?

Antwort

Das betroffene Gen bei CAH liegt direkt neben dem TNXB-Gen. Neun Prozent der Patienten mit CAH haben eine Deletion, bei der das CAH-Gen (CYP21A2) mit dem daneben liegenden TNXB zusammengebracht wird und das daraus entstehende chimäre Allel weder als CYP21A noch als TNXB funktioniert. Dies nennt sich dann CAH-X und wird als separater EDS-Typ behandelt.

Mit dem caveat, dass bisher wenige Patienten mit CAH-X charakterisiert worden sind, sind POTS und Dysautonomien nicht als etwas beschrieben worden, was bei dem Krankheitsbild gehäuft auftritt. Wir haben bisher keinen direkten Zusammenhang zwischen TNXB-Mutationen und Dysautonomien gefunden. Da allerdings ~95% aller unserer Gene in irgendeiner Form und zu irgendeinem Zeitpunkt unserer Entwicklung durch Steroide reguliert werden können, ist es oft schwer bei Erkrankungen wie CAH klare Zusammenhänge herzustellen (Cortisol beeinflusst einfach zu viele verschiedene Dinge).

10

Frage

Eine Publikation aus 2015 sagt, dass Tenascin-X als möglicher Marker für Ovarialkarzinome gefunden wurde. Meine Mutter war hypermobil mit blauen Flecken usw. und ist 2013 an einem Ovarialkarzinom gestorben. Kann es da einen Zusammenhang geben?

Zusatzfrage

Da steige ich gleich noch mit ein und poste eine weitere Frage zum selben Thema von Anonym: Gibt es bestimmte Krebsformen, die als Komorbidität von hEDS auftreten?

Antwort

Nicht, dass es bisher bekannt wäre. Allerdings ist TNX in Zusammenhang mit Neurofibromatose und mit malignen Mesothelioma beschrieben worden. Aber hier liegt kein Mangel vor sondern es ist mit einer Überproduktion von TNX assoziiert. Was nicht heißt, dass ein ursächlicher Zusammenhang bestehen muss. Das illustriert noch einmal, wie kritisch Dosiseffekte sind, und dass man manchmal einen Mangel nicht einfach ausgleichen kann, indem man z. B. einfach mehr Protein einbringt, wenn mehr Protein wieder zu einer anderen Erkrankung führt.

11

Frage

Viele EDS-Betroffene haben gleichzeitig ein Verträglichkeitsproblem bzw. hohe Rate an Nebenwirkungen von Medikamenten. Soweit dann die Cytochrome P450 getestet werden, lassen sich häufig auch dort Defekte/Mutationen finden. Ich habe drei CYPs, die durch die identifizierten Variationen intermediär metabolisieren. Könnte ein EDS-Betroffener insgesamt ein Problem mit seinen Proteinen haben?

Antwort

Hinweise darauf, dass EDS-Patienten ein generelles Problem mit Proteinen haben oder eine hohe Mutationslast gibt es nicht. Allerdings gibt es Bereiche im Genom, die weniger stabil sind und häufiger Mutationen ansammeln als andere und es gibt Prozesse, die zu ähnlichen Mutationen in verschiedenen Genen führen können. Insofern können bestimmte, unterschiedliche Mutationen durchaus gehäuft miteinander auftreten.

12

Frage

Die Hautbiopsie ist bei mir positiv, aber der Gentest negativ. Ich soll nun noch mal mit meinen Töchtern getestet werden. Macht es Sinn noch einmal zu testen ?

Antwort

Ich bin kein Arzt, deswegen kann ich dir leider nicht sagen, ob und wie viel Diagnostik Sinn macht. Wenn die Hautbiopsie positiv ist, kann die Ursache auf einem anderen Gen als TNXB liegen. Über 90% der Betroffenen mit hypermobilem EDS haben keine Mutationen auf TNXB.

13

Frage

Ich habe vEDS und cEDS, beide genetisch bestätigt, habe jedoch viele Symptome des vEDS. Wäre eine Hautbiopsie noch sinnvoll?

Oh, das klingt schlimm :( Arzt-caveat: ich bin keiner und kann leider nicht sagen, was als sinnvolle Diagnostik gilt. Allerdings gilt doch bei sowas eine Art Stichordnung: Klinische Manifestation > Gewebe-Tests > Genetische Tests. Es ist bestimmt „schön“ wenn alles übereinstimmt, aber wenn man ersteres hat (und vor allem beim vaskulären Typ) und einen bekannten genetischen Marker findet weiß ich nicht welche diagnostischen Einsichten durch die Biopsie entstehen.

14

Frage

Ich habe den Verdacht auf EDS Typ 3. Doch seit geraumer Zeit wird die Diagnose immer wieder von Ärzten in Frage gestellt, da meine Ellenbogen und Knie überhaupt nicht überstreckbar sind und ich kaum Hautbeteiligung habe, außer breite Narben. Meine Schultern, Hüften und Finger sind sehr lax und hypermobil. Meine Gelenkkapseln leiern dort aus und Herzklappeninsuffizienz habe ich auch. Nun die Frage: Gibt es sonst noch Bindegewebskrankheiten, die das erklären würden?

Antwort

Es gibt eine große Menge an Bindegewebserkrankungen und alle überlappen bei unterschiedlichen Aspekten (weswegen es so erstrebenswert ist genetische Marker zu haben). Wenn Ende des Jahres neue diagnostische Kriterien für EDS eingeführt werden, kann es sein, dass auch andere Gelenke als Ellenbogen und Knie mit einbezogen werden. Wenn der Orthopäde sich allerdings unwohl dabei fühlt einen EDS-Patienten zu operieren, bin ich nicht sicher ob ausgerechnet eine andere Bindegewebserkrankung seine Besorgnis zerstreuen würde …

Gegenfrage

Vielen Dank für die Antwort. Gibt es denn eine Datenbank bzw. Dokumente in denen alle Bindegewebserkrankungen mit Symptomen drin stehen?

Antwort

Leider ist „Bindegewebserkrankungen“ ein sehr großer Begriff, und wenn man die „non-hereditary“ mit einschließt fallen sogar Sachen wie Lupus und andere Autoimmunerkrankungen mit rein, aber wie wär’s z. B. mit Murphy-Ryan M, Psychogios A, Lindor NM. Hereditary disorders of connective tissue: a guide to the emerging differential diagnosis. Genetics in Medicine. 2010 Jun 1;12(6):344-54.

oder vielleicht sogar besser: ein Vergleich zwischen EDS und anderen in Colombi M, Dordoni C, Chiarelli N, Ritelli M. Differential diagnosis and diagnostic flow chart of joint hypermobility syndrome/ehlers‐danlos syndrome hypermobility type compared to other heritable connective tissue disorders. InAmerican Journal of Medical Genetics Part C: Seminars in Medical Genetics 2015 Mar 1 (Vol. 169, No. 1, pp. 6-22).

15

Frage

Bei mir wurde eine Hautbiopsie durchgeführt mit einem positiven Ergebnis „im Sinne des EDS“. Leider konnte ich keinem Typ eindeutig zugeordnet werden. Ich habe wohl ein bisschen was von allen EDS-Haupttypen. Klinisch bin ich eher ein hypermobiler/ klassischer Typ. Ein Gentest soll nun veranlasst werden. Mittlerweile habe ich mitbekommen, dass es viele EDSer mit mehreren Typen gleichzeitig gibt, bzw. auch einige EDS-Familien, die innerhalb einer Familie unterschiedliche Typen aufweisen (auch genetisch festgestellt). Ich höre von den Ärzten immer nur, dass sowas sehr unwahrscheinlich sei, da in der Regel immer das gleiche defekte Gen weitervererbt wird. Es scheint aber schon viele Ausnahmen zu geben. Gibt es da in der Genetik bereits neue Erkenntnisse, dass doch unterschiedliche Typen in einer Familie weitervererbt werden können, oder ist das wirklich nur Zufall?

Antwort

Da unterschiedliche EDS-Typen von unterschiedlichen Gen-Defekten verursacht werden (bei denen zumindest von denen wir’s wissen), wüsste ich nicht warum diese nicht zusammen auftreten können. Sicher kann man z. B. eine Mutation in CYP21A2 und TNXB haben. Du kannst auch eine von den beiden mütterlicherseits erben und eine väterlicherseits und bei dir passiert ein crossing-over und du hast dann beide Mutationen auf demselben Allel was du dann weitergeben kannst (oder das Gegenteil, du gibst dann ein völlig gesundes Allel weiter und die Mutationen gehen beide verloren). Außerdem muss jede Mutation zu irgendeinem Zeitpunkt spontan aufgetreten sein, bevor sie das erste Mal vererbt werden kann, es wird also in jedem Stammbaum jemanden geben, der zum ersten Mal eine bestimmte Mutation hat, die vorher bei keinem Elternteil war.

16

Frage

Kann auf dem Gen eigentlich „erkennen“ ob es eine Spontanmutation ist, oder ergibt sich das allein aus der Familienanamnese?

Antwort

Allein aus der Familienanamnese. Nur wenn’s bei keinem Elternteil gefunden wird kann man sagen, dass es eine spontane Neumutation ist (oder ein Fehler beim Sequenzieren …)

17

Frage

Wie kann ein Patient am Besten vorgehen, bei dem eine bisher unbekannte Mutation entdeckt wird?

Antwort

Ärzte oder Wissenschaftler finden, die daran forschen und hoffen in eine Studie aufgenommen zu werden (und selbst wenn das nicht passiert erfährt man oft etwas). Sich dabei geographisch nicht einschränken, denn die Art von Forschung wird überall auf der Welt geführt.

18

Fragen

Wie ist das generell: Kann bei manchen Mutationen (nicht spezifisch TNXB) mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln/Ernährungsumstellungen eine Stoffwechselblockade umgangen werden? Kann man sagen, in welchen Fällen so etwas Chancen bietet und in welchen Fällen nicht (nach dem Motto: wenn ein Protein fehlerhaft ist, das im Körper eine Funktion im Bereich xyz des Stoffwechsels hat, kann das sinnvoll sein, aber wenn das Protein im Körper eine Funktion als …. hat, dann nicht)?

Antwort

Auf TNX bezogen, würden NEMs eher nichts helfen da es eine Strukturkomponente ist. Tenascin-X ist wahrscheinlich nicht am Metabolismus des Kollagenaufbaus selbst beteiligt.

Wenn der Mangel in einem anabolischen oder katabolischen Stoffwechsel integriert ist, dann kann man evtl. durch NEMs oder Veränderung der Diät (als Beispiel Kollagensynthese und die Gabe von Vitamin C) Einfluss nehmen. Möglich ist dann durchaus eine Verbesserung aber keine ursächliche Behandlung. Es wurde z. B. auch beschrieben, dass die Tenascin-Y-Produktion in Hühnchen (Hühner haben kein Tenascin-X) auf mechanische Reize reagiert. Das bietet einen Hinweis darauf, dass Sport durchaus das Bindegewebe beeinflussen kann (was fast intuitiv ist), weswegen ich allerdings auch nicht mit EDS Kickboxing anfangen würde :)

Ein anderes Beispiel ist die CAH, bei dem eine Mutation zu einem Hormonmangel führt, den man dann durch Hormongabe ausgleichen kann.

19

Frage

Was gibt es für neue Entwicklungen im Bereich Genforschung (diagnostisch, therapeutisch)?

Antwort

Diagnostisch: Die immer billiger werdenden neuen Sequencing-Methoden und Expressionslevelstatistiken werden zu Routinediagnostik werden. Whole-Genome-Methoden werden in absehbarer Zeit zum Standard.

Therapeutisch werden wir in Richtung Individualmedizin gehen, was heißt, dass alles an die Bedürfnisse des einzelnen Patienten angepasst werden kann (Stichwort Medikamentenmetabolismus).

Spannend: CRISPR/Cas9 Genome Editing (Genomeditierungssysteme, direkte Genomveränderung) ist gleichzeitig das gruseligste und vielversprechendste was in der Molekulargenetik jemals passiert ist.

20

Frage

Welches Labor in Deutschland führt derartige Tests durch? Gibt es zur Mutationsanalyse auch biochemische Verfahren? Proteinanalysen etc.?

Antwort

Welches Labor in Deutschland das genau macht kann ich als Wissenschaftler in den USA leider nicht sagen, allerdings kann theoretisch jedes genetische Labor Standard-Gentests durchführen. Gentest ist Gentest, da ist nichts spezielles.

Zur Mutationsanalyse gibt es keine biochemischen Tests. Biochemische Tests weisen Proteinfunktion/-präsenz nach. Im Falle von TNX gibt es derzeit ELISAs (Antikörper-basierte Tests) die aber schwer kommerziell erhältlich sind und derzeit hauptsächlich nur in der Forschung angewandt werden. Da aber nicht jede TNXB-Mutation auch zu einem Mangel an Protein führt, kann mit Tenascin-X-ELISAs nicht ausgeschlossen werden, dass eine Mutation vorhanden und die Ursache von Symptomen ist.

21

Frage

Was führt bei EDS zum vorzeitigen Knorpelverschleiß?

Das eine eher klinische Frage (aber ich wüsste gerade auch niemanden, der an EDS und Knorpelgewebe/Sehnen arbeitet). Soweit ich weiß geht man bei Knorpelverschleiß davon aus, dass es ein rein mechanischer Vorgang durch Reibung an Gelenken ist (deswegen findet man das mit zunehmendem Alter). Bei Hypermobilität ist der Knorpelverschleiß höher (durch Bandlaxität der Gelenkführung). Ich wäre allerdings nicht überrascht, wenn sich herausstellen sollte, dass die genetischen Ursachen von EDS auch die Zusammensetzung von Knorpelgewebe beeinflussen.

22

Frage

Sind Mischformen bekannt, bei denen Merkmale von hEDS und vEDS gleichzeitig auftreten?

Antwort

Prinzipiell sind fast alle Formen von Overlaps möglich. Beschrieben wurden bisher z. B. eine COL1A1 Mutation die zu einem Overlap zwischen klassischem und vaskulärem EDS führte. Oder COL1A1/COL1A2 Mutationen die zu EDS und Osteogenesis imperfekta Overlap führten.

De Paepe A, Malfait F. The Ehlers-Danlos Syndrome, a disorder with many faces. Clin Genet 2012; 82; 1-11.

23

Frage

Ich habe letztes Jahr an einer großen und umfangreichen Fragebogenstudie der Vanderbilt University zum Thema POTS (diagnosis and impact of POTS) teilgenommen. Im Prinzip wurde alles gefragt vom Weg zur Diagnose, Fehldiagnosen, Art und Umfang der Diagnostik, Symptome, Medikation, weitere therapeutische Maßnahmen, Ausprägung, Begleiterkrankungen (in der langen Liste stand EDS ganz oben), Einschränkungen im Alltag, soziale und wirtschaftliche Auswirkungen etc.

Der Vorteil war, dass es „nur“ schriftlich war und man weltweit teilnehmen konnte… und somit mehr Menschen erreicht werden konnten. Wäre so eine große Fragebogenstudie auch zum EDS denkbar, um aus häufig auftretenden Angaben ggf. in der Folge konkrete Fragestellungen für neue klinische Studien zu generieren? (Man entdeckt bestimmt einen Haufen Gemeinsamkeiten bei bestimmten Gruppen, die man bisher noch gar nicht vermutet).

Antwort

Fragebogen-Statistiken zum Thema Fehldiagnose fände ich z. B. auch ganz extrem interessant (vielleicht sogar mit einer Karte, dass man sehen kann ob vielleicht irgendwo besonders häufig stattfinden …). Und Fragebögen könnte man eigentlich sogar privat ins Rollen bringen, da man keine besondere klinische Infrastruktur dafür benötigt, hmmm …

24

Frage

Wie sieht Forschung aus? Was bringt biomedizinische Forschung?

Antwort

In unserem Fall hier: Man sieht nicht nur, dass ein besonderer Genotyp mit einem Krankheitsbild assoziiert ist, sondern man ist in der Lage ursächliche Zusammenhänge herzustellen und neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zu finden. Es ist zwar nett, wenn man weiß woran man erkrankt ist, es ist allerdings besser, wenn man was dagegen machen kann und bei den meisten EDS-Betroffenen gibt es letzteres halt leider nicht.

25

Frage

Wie führt eine genetische Veranlagung zu einem Phänotyp?

Antwort

z. B. TNXB: C>G in Exon 40

Der Basenaustausch führt im Protein dazu, dass ein Cystein durch ein Tryptophan ersetzt wird. Dieser Austausch führt zum Aufbruch einer Disulfidbrücke, wodurch die Faltung der Protein-Sekundärstruktur gestört wird. Dies führt wiederum zu Fehlern in der Organisation der Fibrillinfasern im Gewebe und zum EDS-Gewebstyp.

26

Frage

Ich habe nochmal eine Frage zu der Pseudogensache… Wäre es möglich, dass ein anderes Labor mit einer neuen Blutprobe die Exons doch sequenzieren kann? Oder ist es einfach so, dass die von keinem Labor dann beurteilbar sind?

Antwort

Die meisten Sequenzierungsprotokolle sind sich sehr ähnlich, weil die Labore alle dieselben Geräte verwenden (Illumina ist der Marktführer) und wahrscheinlich auch ähnliche molecular probes. Ohne von jemandem versichert zu bekommen, dass derselbe Fehler beim resequenzieren weniger wahrscheinlich ist (weil z. B. andere Probes verwendet werden), würde ich’s zumindest nicht aus eigener Tasche zahlen. Whole-Genome-Sequencing wäre auch noch eine Alternative. 12174C>G ist mein persönlicher Favorit, die Variante ist im Paper diskutiert und ganz offensichtlich.

27

Frage

Wie ist der Stand der Forschung zu TNXB-Mutationen? An welchen Orten (welche Unis) wird dazu geforscht?

Antwort

Man weiß nie genug :) Wir wissen TNXB ist ein „Organizer“, mehr aber auch nicht. Die exakten Zusammenhänge der Gewebebildung der extrazellulären Matrix sind nicht bekannt und wir haben auch keine Methoden.

Was wir in der Forschung brauchen, ist ein System was wir verstehen wollen, in dem Fall TNX und die extrazelluläre Matrixbildung, und dann Techniken die uns ermöglichen das zu studieren. In dem Fall ist es so, dass wir diese ganzen Zusammenhänge nicht differenzieren können.

Wer gerade daran forscht sind Gruppen an der NIH, aber da sich dies ständig ändert und auch kein einheitliches Verzeichnis existiert welche Gruppen woran arbeiten, ist es schwer darüber eine Aussage zu treffen.

Um aktuelle Studien zu erhalten und zu sehen wer aktuell woran arbeitet kann man einen Alert auf Pubmed starten.

28

Frage

Was für Auswirkungen hat es, wenn mehrere Kopien eines Gens auf einem Chromosom vorhanden sind? Und wie kommt so etwas zustande?

Antwort

Bei  manchen Genen ist es sogar gewünscht mehrere Kopien zu haben wie z. B. Antikörperfragmente und bei manchen führt es zu Dosiseffekten die unerwünscht sind (z. B. Trisomien).

Kopien kommen während Meiose während unequal crossing over zustande. Und manche Bereiche im Genom sind hotspots für Genduplikationen (z. B. RCCX).

29

Frage

Gibt es mittlerweile Next-Generation-Sequencing-Panel, bei denen gleich alle in Frage kommenden Gene gleichzeitig untersucht werden können? Kosten?

Antwort

Es gibt mittlerweile Panels die einen signifikanten Teil der bekannten auslösenden Gene für eine Reihe an genetischen BG-Krankheiten testen. Natürlich basieren diese auf gut charakterisierten Risikomarken und schließen keine Neumutationen ein.

Zu Kosten kann ich nichts sagen, da ich nicht in einem Routinelabor arbeite.

Markus-Frederik Bohn, PhD presents “Tenascin X and Ehlers-Danlos Syndrome”
In diesem Video erklärt Dr. Bohn die Zusammenhänge zwischen Tenascin-X-Mutationen und verschiedenen EDS-Typen

Q&A mit Dr. Markus Bohn zum Thema Genetik von Bindegewebserkrankungen (mit Schwerpunkt Tenascin-X)

Teil 2 – Ergebnisse des englischen Q&As vom 10.07.16

1

Frage

Ich habe mich bisher nicht wirklich mit TNXB und TNX beschäftigt deshalb könnte das hier eine schlechte Frage sein. In welcher Beziehung stehen TNXB und TNX spezifisch zu EDS? Es macht Sinn, dass diese Hand in Hand gehen, aber haben alle Menschen mit EDS wahrscheinlich eine TNXB-Variante? Oder kann man auch EDS ohne TNXB-Faktor haben?

Antwort

Es gibt mehrere Beziehungen zwischen EDS und TNXB. Es sieht im Moment so aus, dass ca. zehn Prozent der Menschen mit EDS vom hypermobilen Typ eine TNXB-Variante tragen. Neun Prozent aller CAH-Patienten haben ein defektes TNXB-Allel und leiden unter CAH-X was einen separaten Typen darstellt. Patienten mit TNX-Mangel (kein TNX im Serum erfassbar) erscheinen wie der klassische Typ des EDS. Das heißt nicht, dass jeder mit EDS notwendigerweise eine TNXB-Variante oder einen Protein-Mangel hat.

2

Frage

Was genau sind denn die Rohdaten vom Genetik-Labor? Sind diese wichtig und ich sollte sie haben? Oder sind diese etwas was nur ein Genetiker braucht?

Antwort

Der Datentyp ist stark von der Testmethode abhängig. Lass uns davon ausgehen es geht um eine Art der Sequenzierung. Die echten „Rohdaten“ sind verschiedene Farbintensitäten die mit einzelnen Nukleotidpositionen korrespondieren (aufgrund der Sequenziertechnik). Diese Farbwerte werden in die tatsächliche Nukleotidsequenz übersetzt. Jede dieser Lesesequenzen ist nur wenige hundert Basen lang. Ein längeres Gen kann über 70000 Basen lang sein (wie TNXB) weshalb es mehrere überlappende „reads“  braucht um komplett abgedeckt zu sein.

Aber Sequenzierung ist nicht perfekt. Es ist tatsächlich sehr einfach ein Nukleotid falsch zu lesen oder mehrere „reads“ falsch zu assemblieren, weshalb es viele Wiederholungen braucht. Normalerweise werden heutzutage zwischen 50 und 100 Wiederholungen als gut angesehen.

Genetische Testung kann außerdem auch etwas anderes meinen als sequenzieren. Allel- spezifische Hybridisation oder SNP (single nucletoid polymorphism) Microarrys sind Formen der Genotypisierung, die abhängig von spezifischen Sonden für bekannte Varianten sind.

Wenn du dich Genotypisieren lässt, könnten die möglichen Rohdaten die du mit nach Hause nehmen kannst, eine Liste von 500000 genetischen Varianten die du hast, oder eben nicht hast, sein (zum Beispiel bei Verwendung des Affymetrix Human SNP 5.0 GeneChip).

Sprechen wir von einem Gen/Exome/Whole-Genome-Sequenzierung dann kannst du eine Liste von allen Stellen bekommen die sich von der Referenzsequenz unterscheiden. Der Vorteil vom Sequenzieren ist, dass auch unbekannte, nie zuvor gesehene, Dinge gefunden werden können.

Sorry, das war etwas lang, aber ich dachte, das wäre auch für andere von Interesse. Ich musste gerade selbst nachsehen wie viele Varianten vom Affymetrix-System gefunden werden können. Wenn ich einen Gentest machen lassen würde, würde ich mir immer eine Liste von allen gefundenen Varianten geben lassen oder wenn möglich, die eigentliche Sequenz. Diese werden sich in deinem ganzen Leben nicht ändern und damit hast du die Möglichkeit diese zu jedem weiteren Spezialisten oder neuen Tests die in der Zukunft existieren mitzubringen.

3

Frage

Ich habe eine Punktmutation auf TNXB. Mir wurde gesagt diese wurde nie zuvor gesehen. Ich bin hypermobil, aber zeige hauptsächlich Symptome einer vaskulären Beteiligung. Ich habe Arterienrupturen von kleinen und mittleren Gefäßen, mehrere Aneurysmen in großen Gefäßen wie Aorta und Arteria carotis interna, Schlängelung der Ilium Arterie, Aorta und der Carotis interna und starke Stenose der Halswirbelsäulen-Arterien durch die Schlängelung. Es gibt keinen anderen Grund für diese Dinge außer eine BG-Erkrankung. Die vaskulären Probleme entstanden in meinen 40ern. Es gibt eine Familiengeschichte von zwei plötzlichen Toden, aber keine Hypermobilität in der Familie. Kann es möglich sein, dass meine TNXB-Variante diese Probleme verursacht oder ist dies ausgeschlossen?

Es wurde Marfan, Loeys-Dietz und vEDS ausgeschlossen. Könnte es einen anderen genetischen Defekt geben der diese vaskulären Probleme auslöst?

Antwort

Das hängt stark von der eigentlichen Mutation ab, manche können sehr zerstörerisch sein (Einsetzen oder Deletieren von Cysteinen oder großen Aminosäuren) andere können neutral sein (zum Beispiel ein Austausch von Valin mit Leucin in einem Teil der keine Interaktion mit anderen hat). Zudem findet sich TNX auch um Blutgefäße herum und wir wissen, dass es ein Organisator des BG ist, insofern könnte dies einer der Schlüssel sein.

Aber Vorsicht: TNXB ist eines der wenigen Gene für die wir diese Art von Zusammenhängen erstellen können (und ich habe damit gearbeitet deswegen ist es das Erste was mir einfällt). Es wird sicherlich andere in Frage kommende Gene geben und vielleicht sogar andere Typen von CTDs die auf deine Beschreibung passen.

4

Frage

Haben EDS-Betroffene  die unter Neuropathie leiden immer einen Small-Fiber-Neuropathie? Und sollte eine Biopsie positiv für SFN sein?

Antwort

Hmmm, ich weiß nicht warum Neuropathien limitiert auf SFN sein sollten. TNX wird auch in peripheren Nerven gefunden und es gab Spekulation über TNX Beteiligung an Muskel-Nervübergängen. Ich wäre nicht überrascht, wenn es eine ursächliche Verbindungen zwischen EDS (bei TNX-Defekten) und peripheren Neuropathien gäbe.

5

Frage

Ich habe mich gefragt ob CRISPR-Technologie eines Tages genutzt werden könnte um TNXB-Mutationen zu korrigieren?

Antwort

Ich habe tatsächlich ein CRISPR-Experiment in einem anderen Projekt und ich liebe die Technologie. Die Hoffnung ist (glaube ich), dass eines Tages die genetische Urasche einer Erkrankung aus dem Gen editiert werden kann. Aber das würde vermutlich weit vor der Geburt passieren müssen, denn nur dann könnte man sicher gehen, dass man das Zielgen in jeder einzelnen Zelle trifft.

6

Frage

Was ist der einfachste Weg um TNXB-Mutationen festzustellen? Bluttest, Hautbiopsie?

Antwort

Aktuell in Mode dafür ist Exon-Sequenzierung. Es gibt viele kommerzielle Angebote für Whole-Exome-Sequencing. Caveat: Wenn zwei oder mehr Exons eine hohe Sequenzidentität zeigen (z. B. durch Pseudogene) kann das zu Fehlern führen (wie es schon bei einigen Menschen passiert ist die ihr TNXB sequenzieren lassen wollten).

Frage

Also führt das Whole-Exome-Sequencing möglicherweise zu Fehlern? Gibt es andere/bessere Optionen?

Antwort

Die Fehler die andere bekamen waren z. B. „Exon 40 konnte aufgrund von Pseudogenen nicht sequenziert werden“. Zumindest würdest du damit nicht fehlgeleitet werden von einer falsch positiven Mutation. Wenn dich ausschließlich TNXB interessiert, dann ist ein Einzelgentest die beste Option. Wenn du mehrere Gene abgedeckt wissen willst, dann Whole-Genome-Sequencing.

7

Frage

Wie spielt Tenascin-X eine Rolle in Liquor-Leaks oder Chiari?

Antwort

Da TNX Bindegewebe beeinflusst und Liquor-Leaks und Chiari eine klare BG-Komponente haben, könnte da eine tatsächliche Verbindung bestehen. Es gibt dafür keine Daten (wie für die meisten EDS-Komorbiditäten), aber wenn es welche gäbe, könnten die ähnlich aussehen wie in anderen BG-Erkrankungen.

8

Frage

Gibts es mögliche Ideen ob TNXB und andere Kollagen-Mutationen die Zell-zu-Zell-Kommunikation beeinflussen können?

Antwort

Extrazelluläre Matrixproteine haben Signalfunktion und Kollagen, zum Beispiel, ist involviert in der Überleitung des Epithel-zu-Mesenchym Übergangs.  TNX ist involviert im TGFbeta-Signalweg. Ich weiß nicht in wie weit einzelne Mutationen im Kontext des Zell-Signalwegs beschrieben wurden aber das ist definitiv etwas was in der Zukunft passieren wird.

9

Frage

Was bringt biomedizinische Forschung?

Antwort

Man sieht nicht nur, dass ein besonderer Genotyp mit einem Krankheitsbild assoziiert ist, sondern man ist in der Lage ursächliche Zusammenhänge herzustellen und neue diagnostische und therapeutische Möglichkeiten zu finden.

10

Frage

Kannst du uns einen kurzen Einblick in dein neues TNXB paper geben?

Antwort

CAH-X Betroffene leiden unter  einer TNX Haploinsuffizienz, weil eines der beiden Allele nicht funktionsfähig ist. Doch trotzdem war der Phänotyp des EDS bei allen Betroffenen unterschiedlich ausgeprägt. Die These war, dass Punktmutationen in dem verbleibenden TNXB-Allel zum unterschiedlichen Phänotyp des EDS beitragen.

11

Frage

Was ist der Unterschied zwischen einem Wissenschaftler und einem Arzt?

Antwort

Die Aufgabe von Ärzten ist aktuelles Wissen und Kenntnis anzuwenden. Wissenschaftler müssen neue allgemeingültige Erkenntnisse finden, die dann anwendbar sind für den praktizierenden Arzt.

12

Frage

Was ist ein Protein und wie verändert eine Mutation ein Protein?

Antwort

Gene codieren für Proteine die eine Funktion haben. Gen ist nur Information, wohingegen das Protein dann die Funktion ausführt. Mutationen können zu unterschiedlichen Mengen an Protein führen wenn sie nicht im codierenden Teil sind oder sie können die Funktion des Proteins verändern.

13

Frage

Welche TNX-EDS-Typen gibts denn?

Antwort

TNX-Deficiency: Gar kein nachweisbares TNX im Serum (homozygot)

TNX-Haploinsuffzienz: Die Hälfte TNX im Verhältnis zu Gesunden (heterozygot)

CAH-X: Haploinsuffizient; CAH + EDS

Mutationen von denen man nicht weiß was sie genau tun (Funktionsstörung?). Volle Menge TNX. Haben ein Protein mit anderen Eigenschaften.

14

Frage

Wie führt eine genetische Veranlagung zu einem Phänotyp?

Antwort

Bsp. TNX: C>G in Exon 40

Das Cystein wird durch Tryptophan ersetzt. Der Austausch des Cysteins durch ein Tryptophan führt zum Aufbruch einer Disulfidbrücke, wodurch die Faltung der Sekundärstruktur gestört wird. Dies führt wiederum zu Fehlern in der Organisation der Fibrillinfasern im Gewebe und zum EDS-Gewebstyp.

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Frage

Wie genau und aussagekräftig sind Gentests und welche Methode ist die Beste?

Antwort

Exome-Sequencing hat das Potential Fehler im proteincodierenden Teil (Exone) aufzudecken, aber nicht in regulatorischen Bereichen z. B. Promotor und Intronsplicesites.

Whole-Genome-Sequencing untersucht die komplette DNA mit allen regulatorischen Elementen.

Beide weisen eine hohe Fehlerquote auf, wenn man nach einem einzelnen Basenaustausch sucht. Große Deletionen zu finden ist einfacher. Viele Mutationen sind außerdem stille Mutationen die  keinen Einfluss haben.

Paneldiagnostik und Einzelgentests sind genau, aber limitiert auf Dinge die man bereits kennt.

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Frage

Wenn ich mich richtig erinnere, kann man einige genetische Erkrankungen anhand metabolischer Marker im Blut und Urin diagnostizieren (z. B. Hypophosphatasie, bei der einige Werte zu niedrig und andere zu hoch sind, weil es zu einer metabolischen Blockade kommt). Wäre es möglich durch abnormale Blut- oder Urinwerte Rückschlüsse auf die Art der metabolischen Blockade zu ziehen, auch ohne die Mutationen und deren Lokalisation zu kennen? Wäre es möglich, sich systematisch die verschiedenen metabolischen Regelkreise anzusehen, die abnormale Laborergebnisse zeigen und dann aufgrund dieser Resultate Rückschlüsse zu ziehen, in welchem genetischen Bereich die Mutation liegt? Ist das ein Weg den die Forschung einschlägt? Gibt es einen möglichen Zusammenhang zwischen niedriger alkalischer Phosphatase und EDS (hypermobiler Typ, unklare Mutation).

Antwort

Es gibt viel spannende Forschung  die versucht metabolische Marker mit genetischen Ursachen in Verbindung zu bringen. Zum Beispiel gibt es eine spektakuläre neue Technik die während Tumoroperationen Gewebe verdampft und direkt am Skalpell metabolische Tumormarker analysiert. Dies geschieht in Echtzeit während der Arzt den Tumor entfernt, damit weiß er wo gesundes Gewebe anfängt und der Tumor endet. Diese Daten (spezifische Tumormarker) werden mit Deep-Sequencing-Daten (mRNA Level jedes Patienten) kombiniert, um neue Verbindungen oder ganze Netzwerke an voneinander abhängigen Faktoren, die am Krankheitsverlauf beteiligt sein könnten, zu finden. Also ja, es gibt starke Forschung in die Richtung.

Betreffend der alkalischen Phosphatase und EDS: Mir ist derzeit kein klarer Zusammenhang zwischen niedrigen Enzymleveln und EDS bekannt. Aber die individuelle Rolle von Enzymen, die an vielen Stoffwechselfunktionen beteiligt sind, sind bei einer vielschichtigen Erkrankung wie EDS schwer einzuordnen.

17

Frage

Meine Mutter, beide Töchter und ich sind mit EDS vom hypermobilen Typ diagnostiziert. Vor kurzem stellte sich heraus, dass ich und eine meiner Töchter die genetische Variante die mit dem Stickler-Syndrom assoziiert ist trage (COL11A2) und wir sind heterozygot für AMPD1, welches mit Myopathie in Verbindung steht (wir waren die einzigen zwei Familienmitglieder die genetisch getestet wurden). Der Genetiker sagte, diese Resultate wären „von unklarer klinischer Signifikanz“. Da bisher kein klares ursächliches Gen für EDS-HT identifiziert werden konnte, frage ich mich, ob möglicherweise multiple, ziemlich häufig auftretende Varianten wie diese in Kombination mit Umweltfaktoren auslösend sein könnten? Weißt du von Forschung auf diesem Gebiet?

Antwort

Ich arbeite nicht in der Diagnostik, aber so weit ich verstanden habe, kann „klinische Signifikanz“ nur dann gewährleistet werden, wenn diese spezielle Mutation bereits als korrelierend mit dem Krankheitserscheinungsbild in der Literatur beschrieben wurde. Es ist sehr schwer bis unmöglich vorherzusagen wie der individuelle Phänotyp einer Mutation aussehen wird. Mehrere Gruppen arbeiten sehr hart die genetischen Varianten zu finden die für EDS auslösend sind, die Anzahl der Mutationen mit „klinischer Signifikanz“ sollte also weiter steigen.

Bezüglich der Kombination an häufigen/nicht signifikanten Varianten: Kleine Veränderungen an verschiedenen Teilen von komplexen Netzwerken können sich in der Tat summieren oder synergistischen Effekt haben (was zu einem Sturm führt). Zell/Gewebsfunktionen bilden ein außerordentlich kompliziertes Netzwerk.

Forschung beginnt meistens mit einer klaren genetischen Variante – einer kaputten Beziehung. Wenn das nicht funktioniert, gehen wir zum nächsten Schritt über. Am Ende wird dann nicht mehr  nach spezifischen Varianten geschaut, sondern es werden alle Varianten verglichen. Ein aktuelles Beispiel wäre die Suche nach der genetischen Basis von Schizophrenie, was sich als sehr komplex herausstellt. Gruppen suchten im ganzen Genom nach Korrelationen mit Einzelnukleotid-Varianten. Diese Methode würde tatsächlich nachweisen ob Kombinationen von häufigen Varianten mit einem Phänotyp korrelieren. Ich glaube nicht, dass das im Moment für EDS gemacht wird.

Umweltfaktoren: Ohne eine klare Ursache-Wirkung-Beziehung ist es schwer anwendbare Einblicke zu bekommen, aber es scheint als gäbe es in manchen EDS-Fällen hormonelle oder immunologische Einflüsse die den Krankheitsbeginn bzw. Verlauf beeinflussen. Ich würde das als Umweltfaktoren zählen, kenne aber nichts umsetzbares das für die Diagnostik genutzt werden könnte.

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Frage

Wie akkurat und verlässlich sind Gentest für vEDS?

Antwort

Im Moment können > 95 Prozent aller pathogenen Varianten von vEDS nachgewiesen werden mittels Sequenzanalyse (und es gibt andere Gentests für seltenere Varianten). Aber das sind nach wie vor keine 100 Prozent und es gibt immer eine Chance das vEDS-Symptome auftreten ohne identifizierbares Gen. Das ist weshalb der klinische Phänotyp ausschlaggebend ist, gefolgt von Gewebserscheinungsbild und genetischen Varianten.

Es gibt außerdem überlappende EDS-Typen, die mit Symptome einhergehen, die dem vaskulären Typen ähneln z. B. COL3A1 -Mutationen die zu einer Überlappung zwischen klassischem und vEDS führen.

De Paepe A, Malfait F. The Ehlers-Danlos Syndrome, a disorder with many faces. Clin Genet 2012; 82; 1-11.

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Frage

Denkst du, dass für alle hEDS Typen genetische Mutationen ursächlich sind? Versus autoimmun?

Antwort

Im Moment ist die Arbeitstheorie, dass es direkte genetische Ursachen für verschiedene EDS-Typen gibt.  Es gibt auch kein klares versus wie in deiner Frage formuliert, denn einige Autoimmunerkrankungen haben einen ursächlichen genetischen Auslöser (z. B. gibt es epidemiologische Studien die eine 65-prozentige Chance beschreiben an Osteoarthritis der Hände zu erkranken), aber diese deuten meist eine Polygene Vererbung an.

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Frage

Glaubst du, dass Heilung oder bessere Therapien gefunden werden können, durch deine Forschungsergebnisse?

Antwort

Davon ausgehend, dass du Punktmutationen auf TNXB meinst die den Schweregrad des EDS-Phänotyps betreffen, dann ist die Antwort nein. Die genetische Ursache einer Erkrankung zu finden heißt leider nicht, dass dies zu heilenden Maßnahmen führt. Sonst wäre es ziemlich einfach mit negativen Konsequenzen von Aneuploidien (z. B. Trisomie) umzugehen. Im Fall von strukturellen extrazellulären Matrixproteinen wie TNX ist es extrem schwierig an therapeutische/heilende Maßnahmen zu denken, weil es ein Protein ist, das seine Funktion erfüllt in dem es zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, in der richtigen Menge auftritt.

Hier gibt es kein Enzym das man mittels kleinen Molekülen blockieren kann oder ein Rezeptor der aktiviert werden muss und damit fällt es im Moment nicht in den Bereich in dem pharmazeutische Intervention möglich ist. Ein „kaputtes“ TNX zu reparieren, oder ein „fehlendes“ im ganzen Bindegewebe zu supplementieren ist nichts wofür momentan eine Technologie existiert.

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